PRESSE
--------------------------------------------------------------------------zurück zum Überblick
Die Schuldigkeit des Ersten Gebots geistliches Singspiel von W. A. Mozart, Theater an der Wien
Die Presse (Wilhelm Sinkowicz) 14. 4. 2006
Die Freude des ersten Gebots
Es war vielleicht nicht ausschließlich der pastorale Aspekt, der das Publikum des Wiener Osterfestivals in lauten Jubel ausbrechen ließ.
Kurier (Gert Korentschnig), 14. 4. 2006
Osterfeuer mit Familie Harnoncourt
Mozarts "Die Schuldigkeit des ersten Gebots" wurde im Theater an der Wien bejubelt.
Wenn, wie nun im Theater an der Wien, ein solches Team am Werk ist, mit Hingabe, Leidenschaft, Begeisterungsfähigkeit, ist ein toller Musiktheaterabend garantiert, der sogar die Wahl dieses Werkes als einzige Opernproduktion des Oster-Klanges rechtfertigt.
Philipp Harnoncourt ironisiert die Handlung bis hin zum Slapstick. Manches ist lustig, anderes banal-infantil - passend für ein Kind, das Mozart damals war. Am besten wird der Abend, wenn Patricia Petibon, der Weltgeist, agiert. Sie ist zum Niederknien komisch und singt nicht nur alle Koloraturen (bei denen sie gekitzelt wird) brillant. Klar, dass sich der Christ für sie entscheidet, auch wenn ihm der weltliche Konsum mit Fernsehen und Bier bald verleidet wird.
Die erste wirklich eigene Produktion des neuen Wiener Opernhauses - dank des Harnoncourt'schen Familientreffens ein großer Erfolg.
Salzburger Nachrichten (Ernst P. Strobl), 14. 4. 2006
Erfolgsproduktion der Harnoncourts
Eigentlich wollte Erzbischof Schrattenbach das Büblein auch ein bisschen testen, das mit seinen zehn Jahren bereits Europas Höfe bereist hatte und sich in Salzburg ein wenig
im Wunderkind-Ruhm sonnte. Deshalb musste der kleine "Herr Motzard" unter Klausurbedingungen komponieren. "Die Schuldigkeit des Ersten Gebotes" ist Mozarts erstes Bühnenwerk, genau
genommen das Drittel eines geistlichen Singspieles, das zur Fastenzeit 1767 im Rittersaal der Residenz zur Aufführung kam. Die beiden anderen Teile - von Johann Michael Haydn und
Anton Cajetan Adlgasser - sind leider verschollen. Es lohnte sich, dass Papa Leopold alles säuberlich aufhob. Die zu Recht bejubelte Premiere am Mittwoch im Theater an der Wien
bewies eines: Trotz der Fastenzeit dachte der kleine Komponist nicht an akustische Diät.
Mozart in den Startlöchern zur Weltkarriere: Er schrieb rund neunzig Minuten Musik. Sinfonia, Rezitative, sieben lange Arien und ein Terzett, die erstaunen, erheitern, berühren. Das leicht knarrende philosophische Textbuch dieser barocken Allegorie verfasste der Ratsherr und spätere Salzburger Bürgermeister (das waren noch Zeiten!) Ignaz Anton Weiser. Es geht darum, dass sich allegorische Figuren wie Christgeist, Barmherzigkeit und Gerechtigkeit bemühen, den lauen Christen dem Einfluss des allzu vergnüglichen Weltgeistes zu entreißen: eine Art Vorläufer des "Jedermann".
Lohnt es sich, ein Drittel auf die Bühne zu bringen? Ja, allemal, und nicht nur im Mozartjahr. Merkwürdig berührt etwa, dass Mozart in der zentralen Christarie eine virtuose Posaune (Othmar Gaiswinkler) einsetzt, was er erst wieder bei seinem letzten Werk, dem Requiem, tun sollte. Es gibt darüber hinaus viele Details zu entdecken, was musikologische Feinspitze erfreut und dennoch direkte Wirkung erzielt.
Die Bühne - Renate Martin und Andreas Donhauser - kam mit wenig Versatzstücken aus, ein barocker Gartenplan, ein verschiebbarer Guckkasten, ein Projektionsbildschirm für Bibeltexte und Mozartnoten samt Klecks, ein trockener Baum, der zuletzt sogar Blüten hervorschießen kann. Die Regie lässt keine Pointe aus, der Weltgeist ist ein flinkes Kerlchen und hat in Patricia Petibon eine Idealbesetzung. Hinreißend komisch, koloraturensicher bis in dreigestrichene Bereiche, und dazu braust die Französin auch noch mit einem Puch-Moped der ersten Generation daher. Michael Schade steht ihr nicht nach. Die Szene, da Schade als Arzt den lauen Menschen per Operation zum christlichen Wunschbild formen will, ist einfach köstlich. Stimmlich waren alle auf der Höhe der Ansprüche, Christoph Genz als Christ, Juliane Banse als klösterliche Barmherzigkeit und Elisabeth von Magnus als Gerechtigkeit, gekleidet als Mischung aus kirchlichem und juristischem Würdenträger. Dem offenen Ende entkommt Philipp Harnoncourt mit "Vorausschau" auf die fehlenden Teile: beim Terzett feiert im Hintergrund eine kleine Party-Gesellschaft, was nicht lange gut geht.
Der Standard (Ljubisa Tosic), 14. 4. 2006
Diskurs der Koloraturen
Dirigent Nikolaus Harnoncourt belebt die heitere Regiearbeit seines Sohnes Philipp mit einer energievollen Musikrhetorik.
Da die Regie auch einen präzis ausgearbeiteten Hang zum Humorigen aufweist, wird das doch etwas bieder anmutende Stück zum kurzweiligen musiktheatralischen Diskurs über allgemeine existenzielle Fragen, in dem - wie bei Mozart - eine eindeutige Parteinahme für eine Figur ausbleibt.
Vor dem Riesenbild eines barocken Gartens wird heftig um die Gunst einer verwirrten Existenz gerungen - auch eine derbe Operation wird vorgenommen. Nicht nur bei dieser erweist sich Tenor Michael Schade (Christgeist) als sehr subtil die Möglichkeiten von Slapstick auslotender Sänger. Die langen Arien mit ihrem koloraturprallen Charakter sind vor allem bei Patricia Petibon (Weltgeist) am besten aufgehoben. Ihre Intensität und ihre vokale Klarheit verbinden sich hier mit der - von der Regie ausgiebig genutzten - Fähigkeit, vokale Linien an die Anforderungen der Szene zu koppeln. Man erlebt die Geburt der Töne aus theatraler Notwendigkeit; auch dort, wo die Anforderungen an die Technik markant sind.
Der Concentus Musicus Wien unter Nikolaus Harnoncourt wurde bei diesem Osterklang-Abend schließlich zum gleichwertigen Akteur, der mit akzentuierter, schlanker Arbeit Energie auf die Bühne pumpte. Das war eine kluge Übersetzung der szenischen Vorgänge in beredten Instrumentalklang. Und ein weiterer Beweis dafür, wie im Theater an der Wien Orchester und Bühnenvorgänge verschmelzend in Dialoge treten können.
Oberösterreichische Nachrichten (Michael Wruss), 14. 4. 2006
Eine sensationelle Aufführung
Mozarts geistliches Singspiel "Die Schuldigkeit des ersten Gebots erlebte beim Osterklang-Festival im Theater an der Wien eine frenetisch bejubelte Premiere.
Von Mozart im zarten Alter von elf Jahren geschrieben, lässt dieses erste Bühnenwerk die spätere Meisterschaft erahnen: Die Musik trifft mit unglaublicher Sicherheit den emotionalen Kern. Für Dirigent Nikolaus Harnoncourt und seinen bestens disponierten Concentus Musicus ist der Komponist Mozart nie ein Kind gewesen. Das war in dieser das Werk ungemein ernst nehmenden Aufführung auch jede Sekunde zu erleben.
Dem Regisseur Philipp Harnoncourt ist es gelungen, das stellenweise trockene Sujet zwingend auf die Bühne zu bringen und mit Textzitaten das Bild einer zum Untergang geweihten Fun-Gesellschaft als Metaebene zu zeichnen. Eine vielleicht etwas überzogene, wenngleich aus dem Text herauslesbare Komik und die sehr gelungene Ausstattung von Renate Martin und Andreas Donhauser unterstützten die prekäre Situation zwischen strengem Glauben und lasterhafter Zügellosigkeit.
Hervorragende sängerische Leistungen, ein überzeugendes Konzept und Mozarts immer wieder so unglaubliche Musik lösten beim Publikum einen frenetischen Jubel aus.
Kronenzeitung (Karlheinz Roschitz), 14. 4. 2006
Der "Weltgeist", ein fescher Kerl
Ein Triumph für ein kaum bekanntes Mozart-Werk!
Vater Harnoncourt hat aber auch einen Partner mit Geschmack, seinen Sohn Philipp: In einer klugen, witzigen Inszenierung setzt er genügend frische Akzente und arrangiert hübsche Bilder,
dass keinen Moment Langeweile aufkommt. Bühnenbild und Kostüme von Renate Martin & Andreas Donhauser sorgen da für fröhliche Pointen, ob nun der Christgeist als pfuschender Medikus
auftritt, fesche Verführungskünstlerinnen Partys feiern oder der Weltgeist die Puppen tanzen lässt ...
Wiener Zeitung (Christoph Irrgeher ), 14. 4. 2006
Ein göttliches Engel-Bengerl-Spiel
Ob das auch szenisch seine Schuldigkeit tut? Ja, denn der Regisseur, Filius Philipp Harnoncourt, hilft kräftig nach. Was heute hinzukommt, ist reichlich Humor - teils kindlich, teils
kindisch, doch immer kurzweilig. Im Hause Harnoncourt darf die Gerechtigkeit schon einmal böllernd Wild erlegen, der Weltgeist auf einem Puch-Moped dahertschundern. Aufgedreht ist dieser
vergnügungssüchtige Weibsteufel, ganz anders als ein Christgeist, der mit puritanischer Richterfrisur (Ausstattung: Renate Martin und Andreas Donhauser) verklemmt, verzopft aussieht.
Inszeniert da ein Ketzer? Doch so slapstickhaft geht es nicht immer zu. Geistreich und symbolstark, wenn der umbuhlte Mensch allein in seiner Kammer hockt, vor der ein riesiger Grundriss
eines Barockparks aufgespannt ist ? als wär` er ein Pflänzlein, um das erdferne Gäste zanken.