PRESSE
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Der Rosenkavalier von Richard Strauss, Musiktheater im Revier
Ruhr Nachrichten (Albert Heindrichs), 4. 6. 2013
Eine unglaublich stimmige Aufführung feierte am Sonntag im Gelsenkirchener Musiktheater im Revier Premiere. Dem Leitungsteam - Rasmus Baumann (Dirigent), Philipp Harnoncourt (Regie) sowie Renate Martin und Andreas Donhauser (Bühne und Kostüme) - ist es musikalisch wie szenisch gelungen, die Schönheit und die Tiefe des Stücks voll zu erfassen und in die Gegenwart zu holen. Was Dichtung und Musik über die Spielarten der Liebe zu sagen vermögen, ist zeitlos dargestellt und erreicht die Qualitäten von Mozart- oder Shakespeare-Komödien.
"Ein älterer, anmaßender Freier, vom Vater begünstigt, wird von einem jungen hübschen ausgestochen", so bündig hat Hofmannsthal den Kern der Handlung erklärt; das ist eine Allerweltsgeschichte, aber hier ist sie zu einem Kunstwerk geworden, das dralle Komik und tragischen Tiefsinn ineinander verstrickt und dabei Charakterrollen entwickelt, die souveräne Darsteller und Sänger erfordern.
Das Musiktheater im Revier hat sie: Michael Tews ist der sinnliche Baron Ochs von Lerchenau und Nadja Stefanoff der blutjunge Oktavian, der ihn aussticht. Petra Schmidt ist die Marschallin, die im Verzicht auf Oktavians Liebe Größe beweist, und Alfia Kamalova das arglose, aber mutige Mädchen, das sich gegen die Zwangsheirat wehrt und zu Oktavian findet. Um dieses Solistenquartett schart sich eine Vielzahl von ebenso überzeugenden Solisten von Opern-, Kinder- und Jugendchören, Statisten und Bühnenmusikern.
Eine große Aufgabe für Regisseur und Dirigent, sie alle in ein kunstvolles, stimmiges Miteinander zu bringen. So klangschön und mitfühlend musiziert hat man den "Rosenkavalier" in Gelsenkirchen schon lange nicht mehr gehört.
WAZ, Abendkritik
Bravos für einen opulenten "Rosenkavalier"
Zu Beginn besingt die Feldmarschallin melancholisch die Macht der Zeitenläufe. Mehr als vier prall volle Stunden später ist die Zeit wie im Fluge vergangen und das
Publikum im Musiktheater im Revier bejubelt die gelungene Premiere der Richard Strauss-Oper „Der Rosenkavalier". Bravos gab es sowohl für das hervorragende Gesangsensemble, allen voran
für Nadja Stefanoff als Octavian, als auch für das Regieteam um Philipp Harnoncourt.
WAZ (Elisabeth Hövig), 5. 6. 2013
Ist ein Traum, kann nicht wirklich sein
Im Gelsenkirchener Musiktheater feierte „Der Rosenkavalier“ Premiere. Der Wiener Regisseur Philipp Harnoncourt hat die opulente Oper solide, verfremdet,
aber ohne Provokationen inszeniert. Und das Publikum bedankte sich für vier kurzweilige Stunden mit einhelligem Beifall.
Wenn sich in Richard Strauss’ „Rosenkavalier“, Liebe auf Intrige reimt, Alter vor Dummheit nicht schützt und deftige Verwechslungsspiele Verwirrung stiften, dann mutiert selbst die Souffleuse zum
Teil des Spiels und darf am Bühnenrand locker Fritten futtern. Zumindest im Musiktheater im Revier. „Der Rosenkavalier“ feierte als Theater auf dem Theater mit einhelligem Beifall bedachte,
gelungene Premiere.
Der Wiener Regisseur Philipp Harnoncourt bricht das Spiel rund um eine alternde Lady und ihren jungen Geliebten, um ein lüsternes Großmaul und seine junge Braut vielschichtig auf. Seine Botschaft ist klar: Die spielen nur! Der Strippenzieher dieser Inszenierung ist ein barfüßiger, farbiger Opernführer (ein Glücksgriff: Gavarni Unyihoreze als Statist), der das Publikum behende durch die amouröse Welt von Richard Strauss‘ Werk geleitet. Der zu Beginn den Vorhang öffnet und am Ende die Akteure mit einem Tritt wieder von der Bühne kickt. Dazwischen liegen über vier kurzweilige, klangschöne Stunden im Dreivierteltakt, in denen Harnoncourt die opulente Oper solide und mit moderaten, sinnstiftenden Verfremdungen, aber ohne Provokationen inszeniert.
Drei Akte, drei Räume (Bühne und Kostüme von Renate Martin und Andreas Donhauser) jenseits aller Rokoko-Pracht, und Gefühlslagen, die zwischen draller Komödie und melancholischer Tragödie subtil schwanken. Der Salon der Feldmarschallin wirkt wie ein rustikales Jagdzimmer, in dem sich die reife Dame mit ihrem Jüngling im Bett tummelt. Den zweiten Akt dominiert kühles Geschäftsambiente, und das Wiener Gasthaus im Schlussakt hat den Charme einer verruchten Kirmes-Spelunke. Am Ende ist aller Tand fort und das Paar mit sich allein.
Petra Schmidt gibt mit klarem, geschmeidigen Sopran eine solide Marschallin zwischen Sehnsucht und klugem Verzicht. Sie weiß vor allem in den leisen Tönen zu überzeugen. Die Hosenrolle des Octavian füllt Nadja Stefanoff brillant aus mit jugendlich frischem Mezzosopran. Michael Tews singt den Baron Ochs mit formidablem Bariton herrlich arrogant als aufgeblasenen Frosch, ein derber Lustmolch in Lederhosen. Herrlich, wenn er sich selbstverliebt wie ein Satyr im Kreise dreht und man ahnt, das geht nicht gut.
Zu den Highlights dieser Produktion zählt Alfia Kamalova als schulmädchenhafte Sophie mit tadellos sauberem, sicheren Sopran. Tomas Möwes als Faninal ist spielerisch präsent. Die Neue Philharmonie Westfalen arbeitet sich unter Rasmus Baumann am Pult sicher durch die reiche, äußerst schwierige Partitur.
„Ist ein Traum, kann nicht wirklich sein“, singt das junge Paar Octavian und Sophie am Schluss. Es war ja nur ein Spiel, aber ein wahrlich empfehlenswertes.
Recklinhäuser Zeitung (Bernd Aulich, 4. 6. 2013
Das Ganze war halt eine Farce
… Nur einmal und nur kurz blendet Regisseur Philipp Harnoncourt nostalgisch ins Rokoko der Maria Theresia zurück - beim Auftritt des Bühnenorchesters mit Livree und Puderperücke. Die feine Staffage steht im Wiener Vorstadt-Beisel quer zur deftigen Eroberungstour des lüsternen Poltergeistes Ochs… in diesem Sinne deutet Harnoncourt am Musiktheater im Revier (MIR) den "Rosenkavalier" – als Wiener Maskerad'… mit aufreizendem Spielwitz mit einer blitzenden Fülle ironischer Einfälle.
Wenn man den Erzkomödianten Michael Tews als brachial übermütigen Baron Ochs von Lerchenau erlebt, glaubt man gern, dass Strauss die Oper ursprünglich nach dieser Partie benennen wollte. Diesen Bassisten in seiner hintergründigen, nie platten Spiellaune zu erleben, ist ein ungetrübtes Vergnügen. Auch sängerisch verkörpert Tews einen Charakter von Format. Und so wird der Ochs und nicht die Marschallin zum Zentrum des weit über vierstündigen, mit großem Beifall gefeierten Abends.
lokalkompass.de
Mit tosendem Applaus bedankte sich das Publikum nach der Premiere von Richard Strauss‘ „Der Rosenkavalier“ am Musiktheater im Revier. Den hatten Macher und Akteure auch redlich verdient.
Schon während der Ouvertüre wird klar: Rasmus Baumann, musikalische Leitung an diesem Abend, hat nicht zuviel versprochen als er von der ergreifenden Musik dieser Oper schwärmte. Genauso komplex und vielschichtig wie die Musik ist auch die Inszenierung von Regisseur Philipp Harnoncourt: eine Bühne auf der Bühne, der treue Helfer Mohammed und die ins Stück einbezogene Souffleuse sind nur drei der vielen Elemente, die diese Inszenierung zu etwas Besonderem machen.
Der ständige Wandel des ungewöhnlich aufwändigen Bühnenbildes hat etwas Dekonstrukivistisches an sich. Szene fließt in Szene, Gespräch in Gespräch und die Musik untermalt nicht nur, sondern kommentiert; nicht ganz leichte Kost, die manchmal an Reizüberflutung grenzt und gerade deshalb so fantastisch ist.
Harnoncourt hat jeden Tropfen schauspielerische Leistung aus seinen Sängern gekitzelt, das Ergebnis ist eine emotionsgeladene Performance, die mitreißt. Petra Schmidt als Feldmarschallin durchlebt in nur drei Stunden die Gefühlswelt eines ganzen Lebens: von himmelhochjauchzender Glückseligkeit über tiefste Verzweiflung bis hin zur stillen, würdevollen Ergebenheit.
Nadja Stefanoff begeistert das Publikum als der junge Liebhaber Octavian, ihre grandiose Stimme trägt sich durch das gesamte Theater. Mit Leichtigkeit füllt die Sängerin die männliche Rolle aus, gibt ihr sogar den gewissen bubenhaften Charme. Und sorgt - ganz nebenbei - als „Kammerzoferl“ für einige Lacher.
Eine wahre Freude ist es, Michael Tews als Baron Ochs auf Lerchenau zuzusehen. Mit großem Gusto kostet er als Lebemann jede Romanze, jede Eroberung, jede Frau aus. Die zweite überzeugende männliche Leistung des Abend liefert Hongjae Lim, der es schafft, seinen glasklaren Tenor über das geschäftige Geschwätz am Hofe der Feldmarschallin zu erheben und das Publikum zu verzaubern.
Das Finale, das von den drei Damen Alfia Kamalova, Schmidt und Stefanoff bestritten wird, ist - musikalisch wie emotional - atemberaubend schön.
opernnetz.de (Sascha Ruczinski)
Zeitlos schön
Zu den fruchtbarsten künstlerischen Kooperationen in der Geschichte der Oper gehört die Zusammenarbeit zwischen Richard Strauss und Hugo von Hofmannsthal…
Philipp Harnoncourt inszeniert die Geschichte um den jungen Octavian, seiner Affäre mit der Feldmarschallin, dem rüpelhaften Baron Ochs auf Lerchenau und Sophie, mit der Octavian schließlich zusammenfindet, in einem zeitlosen Raum. Mit einem guten Auge fürs Detail und viel Gespür dafür, wann Tempo gefragt ist und wann Innerlichkeit, gelingt Harnoncourt eine überzeugende Regiearbeit, die beiden Seiten des Werks, der komischen und der dramatischen, vollauf gerecht wird. Die Inszenierung fesselt vom ersten bis zum letzten Takt mit derselben suggestiven Kraft, mit der Strauss’ Musik den Zuhörer in ihren Bann zieht. Das von Renate Martin und Andreas Donhauser geschaffene Bühnenbild zeichnet sich durch Funktionalität aus. Mit fortlaufender Dauer wird der Bühnenraum immer abstrakter, bis ganz zum Schluss nur noch eine Rampe übrigbleibt, auf der – in rotes Licht gehüllt – Octavian und Sophie miteinander verschmelzen.
Getragen wird die Inszenierung letztendlich durch ein ausgezeichnetes Ensemble. Petra Schmidt gelingt eine äußerst facettenreiche Darstellung der Feldmarschallin. Im Bett mit Octavian zeigt sie eine sehr weibliche, erotische Frau, die peu à peu die Reife ihres eigentlichen Alters verrät. Dies schlägt sich auch in ihrer Stimmführung nieder, in der Schmidt mit einer subtilen Dramatik zu gefallen weiß. Michael Tews gibt den Baron Ochs auf Lerchenau überzeugend als rüpelhaften Prahlhans – eine Paraderolle für den Bassisten. Nadja Stefanoff überzeugt in der Hosenrolle des Octavian, den sie mit jugendlichem Eifer genauso überzeugend darstellt wie den Rollenwechsel als Mariandl. Das muss einem erst einmal gelingen: Als Frau einen Mann spielen, der sich innerhalb des Stücks als Frau verkleidet. Die Stimme Stefanoffs schwebt mit jugendlichem Elan über der Bühne. Alfia Kamalova spielt eine anfangs naive und zuckersüße Sophia. Auch Kamalova weiß mit makellosem Gesang zu überzeugen.
Unter der Leitung von Rasmus Baumann beweist die Neue Philharmonie Westfalen, auf welch hohem Niveau sie Richard Strauss’ Musik zu spielen vermag. Ein musikalisches Freudenfeuer an Klangfarben stürzt auf das Publikum ein, ohne dass der Orchesterklang die Sänger von der Bühne fegt. Die Abstimmung zwischen Ensemble und Musikern ist durchweg gelungen.
Das Publikum bedankt sich mit freundlichem Applaus. Vor allem Nadja Stefanoff erntet Bravorufe. Für diesen gelungenen Opernabend ist das eigentlich noch zu wenig.
Merker (Christoph Zimmermann)
Zeitlos schön
… Besonders gut gelingen Harnoncourt die Finali I und III. Über dem Verhalten der Marschallin liegt schon frühzeitig ein Schleier von Trauer, ihre „Lektion“ für Octavian spiegelt den Pessimismus einer gereiften Frau, die nüchtern hinter menschliche Fassaden zu blicken gelernt hat. Da kippt heiteres Erotikspiel beklemmend in Lebensernst um. Diese Wirkung wird von Petra Schmidt verstärkt, die ihrem Sopran feine Valeurs abgewinnt und nie larmoyant spielt. Am Schluss küsst die Marschallin sowohl Sophie als auch Octavian, gibt sie mit dieser noblen Geste quasi zusammen. Jetzt bleibt ihr nur, den inzwischen an den Rollstuhl gefesselten Faninal (haben die Aufregungen zu einem Schlaganfall geführt?) zu ihrer Kutsche zu schieben. Das eng umschlungene Liebespaar „entsorgt“ Mohammed durch eine Falltür in den Orkus. Keine Chance für ein junges, übermächtiges Gefühl? Harnoncourt gibt heftig zu denken auf.
Nadja Stefanoff ein wirklich flammender Octavian, bei allem Mezzo-Glühen ausgeglichen singend. Alfia Kamalova setzt durchaus rollengerecht einen wie kindlich wirkenden Sopran dagegen. Ihre Schulmädchenkleidung (plus Brille) lässt sie zunächst pubertär erscheinen; als ihr im 3. Akt bewusst wird, dass sie für ihren Octavian keineswegs die erste Liebe ist, beginnt sie das Leben zu ahnen. Auch dies ein schöner Regieakzent. Beim Intrigantenpaar Annina/Valzacchi kommt die Frau (Almuth Herbst) sängerisch eindeutig vor dem Mann (E. Mark Murphy). Noriko Ogawa-Yatake schafft die Partie der Leitmetzerin noch, Tomas Möwes den (freilich herrlich chargierten) Faninal schon nicht mehr. Dafür besticht der junge Koreaner Hongjae Lim als Sänger mit seiner verschwenderischen Höhe. Mit der Neuen Philharmonie Westfalen sorgt Rasmus Baumann für einen angemessenen orchestralen Rahmen: unter seinen Händen erklingt die Strauss-Musik mit Schwung, aber differenziert; die Tempi überzeugen.
der opernfreund.de (Martin Freitag)
Harnoncourt inszeniert knackig, deftig, komödiantisch… wartet mit vielen schönen Details auf, da darf schon mal auf den Schenkel geklopft werden, doch auch die melancholischen Momente finden ihre besinnliche Ausformung. Spielleiter der ganzen Komödie ist der Hofmannsthalsche "Mohr", hier ein junger Farbiger, der die Bühnenverwandlung ankurbelt und zum interaktiven Partner der Marschallin wird, Gavarni Unyihoreze macht mittels szenischer Präsenz den Mohammed zu einer Hauptfigur.
Nadja Stefanoff vom Bremer Theater ist mit angenehm viriler Erscheinung schon optisch eine Idealbesetzung für den Rosenkavalier, mit wunderschön timbriertem Mezzo, jubelnd aufschwingender Emphase, wie sinnlicher Intimität ist sie auch ein Gesangsideal für diese Partie. Zusammen mit Alfia Kamalovas bis in die Himmelshöhen süß klingenden, lyrischen Soprantönen ein Traumpaar… Michael Tews kommt dem Strauss/Hofmannsthalschen ländlichen Don Juan alias Ochs auf Lerchenau mit relativ jugendlicher Erscheinung sehr nahe, gesanglich besitzt er alle Töne vom tiefen Kellerton des zweiten Aktes bis in das sehr hoch liegende "Heu" in der Jagderzählung des ersten, gepaart mit der nötigen, schlitzohrigen Chuzpe dieser Rolle. Sehr schön die Ausformung der echten Verliebtheit in das falschgeschlechtliche Mariandl mit der verwunderten Verwirrung.
Rasmus Baumann hält die Neue Philharmonie Westfalen zu äußerst differenziertem Spiel bei großmöglicher Durchhörbarkeit für den Text an. Kammermusikalische Feinheiten stehen neben den groß ausmusizierten Vorspielen…
Großer, berechtigter Premierenjubel für alle Beteiligten.
IOCO (Viktor Jarosch), 4. 6. 2013
Das Musiktheater im Revier (MiR) und der junge Wiener Gastregisseur Philipp Harnoncourt brauchen wenig Bühnenrequisiten, um einen packend konventionellen Rosenkavalier zu produzieren. Nicht verschnörkelte Luxus-Ambiente sondern zeitlose Bühne auf der Bühne heißt das einfache aber passende Kernrequisit dieser Inszenierung: Eine 8 x 6 Meter große Fläche, drehbar, auf der großen Bühne platziert. Die Inszenierung konzentriert sich auf von Hofmannsthal´s komplexes Komödienlibretto wie auf Strauss` musikalisch virtuosen Konversationsstil.
Das MiR ist auch bei relativ kleinem Etat ein höchst leistungsfähiges Musiktheater. Der Rosenkavalier wird in den zentralen Partien mit Sängern aus dem eigenen MiR-Ensemble blendend besetzt. Die reife Marschallin (Petra Schmidt) und ihr junger Liebhaber Octavian (Nadja Stefanoff) verströmen bereits mit ihrem Erwachen im ersten Aufzug ergreifende Poesie. Petra Schmidt beseelt und berückt als Marschallin in Ton und Ausdruck. Sängerische Souveränität, Klangfarben wie differenzierte Deklamation nutzt Schmidt zur Charakterisierung einer reifen Frau, welche weder der Dekadenz des Zeitgeistes folgen möchte, noch der Liebe mit ihrem jugendlichen Liebhaber bleibenden Bestand einräumt.
Nadja Stefanoff imponiert in der Partie als sensibler Octavian: Mit Menjoubärtchen, schwarzem Anzug und dazu wohltimbriertem, oft bewegend zartem Mezzosopran harmoniert ihre Stimme überaus gut mit der der Marschallin. Ingeniös im dritten Aufzug “Es is ja eh als eins”, herzzerreißend karikierend gesungen. Alfia Kamalova singt die hoch steigenden Linien der Sophie mit großer Präzision und leuchtender Wärme. Darstellerisch köstlich, wenn nötig mit „Haut und Haaren“, aber immer mit tiefem, breitem Bass ist Michael Tews als Ochs auf Lerchenau. Kurzweiliger Höhepunkt dieser Rosenkavalier-Inszenierung wird sein Degen-Duell mit Octavian und der folgende Jammer über sein Schicksal im dritten Aufzug: Tews meistert seine gewaltige Partie textsicher und mit bruchloser, kräftiger Stimmführung.
Doch auch die anderen Partien sind gut besetzt: Hongjae Lim glänzt als Sänger mit unglaublich strahlender Höhensicherheit, Tomas Möwes imponiert als Faninal. Erfrischend beweglich wurde der riesige Chor von Christian Jeub einstudiert. Die Neue Philharmonie Westfalen unter Rasmus Baumann klingt vom ersten Ton an frisch, filigran wie schwungvoll Walzerselig, ohne verzuckert oder verkitscht zu wirken. Transparent rauschen die Philharmoniker mit organischen fein geführten Tempi. Details wie das Silberrosenmotiv oder anachronistische Walzerklänge erklangen kristallklar, aber in der Strauss-eigenen Tonsprache und seiner gewollten Nähe zur Musikkomödie.
Der Rosenkavalier des MiR: Die gelungene Inszenierung einer musikalisch wie darstellerisch ungemein anspruchsvollen Oper. So sind die Magie des Orchesters und klangschön verschmelzende Stimmen inmitten einer lebendig humorigen Inszenierung gute Gründe, diesen Rosenkavalier am MiR in Gelsenkirchen zu besuchen.
Tamino Klassikforum
Als es in den Vorberichten hieß das diese Inszenierung zeitlos sein sollte, bin ich schon mit den schlimmsten Befürchtungen zur Premiere gegangen. Aber es wurde ein richtig gute und schlüssige Inszenierung. Am Anfang sehen wir auf einer Drehbühne das Zimmer der Marschallin. Dort gibt es nur ein Bett und ein Kleiderschrank und ein Stierkopf, dessen linke Horn beim Auftritt des Baron Ochs nach unten fällt. Als dann die Bürgerlichen die Audienz bei der Marschallin haben sehen wir die Requisiten die man aus der Otto Schenk Inszenierung kennt. Das Stadtpalais von Faninal besteht aus einer großen Wand mit zwei großen rechteckigen Ausschnitten, die die Fenster darstellen sollen. Dahinter gibt es eine silberne kleiner Bühne . Bei der Übergabe der silbernen Rose bewegen sich nur Sophie und Oktavian, der Rest auf der Bühne steht still dar , als wenn die Zeit stehen bleibt. Die Rose sah im ersten Akt noch aus wie solche die man in den Billig Discountern bekommt. Im zweiten Akt war es dann zum Glück eine silberne Rose. Der Sanitäter im zweiten Akt kam natürlich in heutiger Montur auf die Bühne und versuchte Baron Ochs mehrere Spitzen zu setzen. Der dritte Akt spielte in einer Küstenkneipe, da ein Steg in die Kneipe führe ( nur was hat das mit Wien zu tun?). Bei den Kostümen des Unterkommissarius und seiner Gefolgsleute sind Herrn Harnoncourt etwas die Gäule durchgegangen, die waren nämlich im Stile der nordkoreanischen Militäruniformen angezogen. Lag wahrscheinlich aber nahe, da die meisten Sänger der Nebenrollen aus Korea, Japan oder China kamen. Sehr geschmackvoll war die Marschallin gekleidet im ersten Akt in einem Negligee und im dritten Akt in einem schicken roten Kostüm. Auch Oktavian sah sehr gut aus in seinem schwarzen Frack. Als Mariandl sah sie allerdings aus wie Oliva Jones für Arme. Die Mitglieder des Bühnenorchesters im dritten Akt hatten alle Mozartperücken auf.
Ganz hervorragend spielte das Orchester unter der Leitung von Rasmus Baumann. Petra Schmidt war eine junge bildhübsche Marschallin. Einen so guten Oktavian wie Nadja Stefanoff habe ich auch schon lange nicht mehr gehört. Ganz bezaubernd die Sophie von Alfia Kamalova. Und Michael Tews war exellenter Ochs. Alle stellten ihre Partien glaubwürdig dar und spielten voller Hingabe, was auch dem Regisseur zu verdanken ist. Man kann diese Art von Inszenierung mögen oder nicht, aber er hat sich auf jeden Fall Gedanken gemacht und die Figuren in die heutige Zeit versetzt ohne sie dabei ins Lächerliche zu ziehen.