PRESSE
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Engel aus Feuer von Sergej Prokofjew, Odeon Wien
Die Presse (Walter Weidringer), 23. 4. 2010
Die Oper "Engel aus Feuer" packt auch in reduzierter Orchesterbesetzung. Philipp Harnoncourt hat stark inszeniert.
Auf dem Scheiterhaufen! Wo sonst sollte Renata landen, wo doch ein Exorzismus im Kloster an ihr schlicht abzuprallen scheint und ihre Mitschwestern, in unheiligste Ekstase
versetzt, sich handgreiflich gegen den Inquisitor zur Wehr setzen? Das bedrohlich erregte Getümmel, das rituelle Lallen des Frauenchors und die zuletzt hoch züngelnden
Flammen, von denen sich Renata nun selbst als "feuriger Engel" abhebt - sie bilden den Schluss und die stärkste, visuell beeindruckendste Szene in der Inszenierung
von Philipp Harnoncourt, zu der Ulrike Kaufmann und Erwin Piplits sowohl Ausstattung und Kostüme als auch ihr treffliches Serapions Ensemble beigesteuert haben.
Karge, mobile Labyrinthwände, vom Serapions Ensemble von Szene zu Szene im Nu umgebaut, bilden den zeitlos anmutenden Rahmen der symbolistischen Story nach einem "historischen Roman" von Waleri Brjussow, in dem eine Frau von Kindesbeinen an der Erscheinung eines "feurigen Engels" nachjagt, wodurch ihr Partner Ruprecht beinah, sie selbst aber tatsächlich zu Tode kommt. Bedingungen und Probleme des Zusammenlebens, macht Harnoncourt deutlich, werden dabei ebenso verhandelt wie der Widerstreit von Aberglauben und Wissenschaft, die es nicht schafft, das Unheimliche völlig aus dem Dasein zu verbannen. Die eindrucksvolle Elena Suvorova sorgt als Renata für Spannung, sekundiert von Ludovic Kendi (Ruprecht), Martina Prins, Ivaylo Guberov, Viktor Aleshkov sowie natürlich dem präzisen Serapions Ensemble.
Der Komponist Wolfgang Suppan versteht auch als Bearbeiter sein Handwerk: Über weite Strecken gelingt ihm das Kunststück, die schillernde, für großes Orchester konzipierte Musik nahezu unbeschadet auf nur 16 Musiker zu übertragen - oder besser: sie gleichsam möglichst maßstabsgetreu, aber in Leichtbauweise neu hochzuziehen. Mit den klanglichen Zuspitzungen und Verschärfungen, welche die Besetzung mit sieben Bläsern, sechs Streichern, Klavier und Schlagzeug erlaubt, zurrt er die Schraube der Moderne noch eine halbe Drehung fester, ohne die Klänge eigentlich zu verfremden. Dass beide Kollektive - das Ensemble "Phace / Contemporary Music" (früher "ensemble online") und der Wiener Kammerchor - großen Eindruck machten, war nicht zuletzt Marino Formenti am Pult zu danken, der der ausdauernd bejubelten Aufführung den Stempel der Impulsivität aufdrückte.
Der Standard (Ljubisa Tosic) 24. 4. 2010
Wien - Ein regelrechter Tanz des Bühnenbildes: In immer neuen Konstellationen gruppieren sich die Wände bei Prokofjews Engel aus Feuer, und sie sind in ihrer Sprunghaftigkeit fast ein Spiegelbild der Hauptfigur. Renata (mit dramatischer Intensität: Elena Suvorova) - von einem Engel besessen, der sie verlassen hat - torkelt zwischen Mordfantasien, Selbstdemütigung, Manipulation des ihr verfallenen Ritters Ruprecht (tadellos Ludovic Kendi) bis zum Gang ins Kloster, wo sie für Tumulte sorgt.
Die Inszenierung Philipp Harnoncourts (Ausstattung: Ulrike Kaufmann und Erwin Piplits) kann aus den Figuren lebendige Theaterwesen formen. Auf einer breiten Bühne arrangiert er ein wirksames Seelendrama, in dem auch Mephisto (Viktor Aleshkov), Faust (Alexander Puhrer) und ein Inquisitor (Ivaylo Guberov) ihre deftig-skurrilen Auftritte bekommen.
Zum Ende hin gerät das Kammerspiel zum opulenten Massenereignis, an dessen Ende Renatas Verbrennung steht. Beeindruckend die Musik (orchestral verschlankt von Wolfgang Suppan) in der Umsetzung von Dirigent Mario Formenti und Phace - Contemporary Music. Prokofjews schillernde Kunst in versierten Händen.
Wiener Zeitung (Marion Eigl), 23. 4. 2010
Brennen muss Odeon
Ein aufregender Abend kündigte sich dem Premierenpublikum im Wiener Odeon bereits bei näherer Betrachtung der Eintrittskarte an: gedruckt auf stilisiert angesengtem Papier.
Philipp Harnoncourt stellt die Geschichte in starken, eindrucksvollen Bildern mit dichtem Spannungsbogen nach. Renata ist auf der Suche nach ihrer Jugendliebe, dem feurigen Engel Madiel, den sie in dem Grafen Heinrich zu erkennen glaubt. Der ihr hörige Ruprecht soll ihr dabei behilflich sein. Ein Drama rund um Begierde, Magie, Visionen, Religion und Wahnvorstellungen, in dessen Verlauf auch Mephisto und Faust, ein Inquisitor und in Ekstase geratene Nonnen mitmischen.
Gesungen wird auf Russisch mit deutschen Übertiteln. Elena Suvorova beeindruckt in der langen und schwierigen Partie der Renata, die sie auch darstellerisch packend gestaltet. Herrlich diabolisch ist Viktor Aleshkov als Mephisto. Ein bereicherndes wie verbindendes Element bilden die schaurig-entzückenden Mitglieder des Serapions Ensemble - ob als flinke Kulissenschieber, Beute für den gefräßigen Mephisto oder Handlanger des Bösen. Stark sind auch die Damen des Wiener Kammerchores bei ihrem Auftritt als Nonnen im fünften Akt.
Die ursprüngliche Orchesterfassung wurde vom österreichischen Komponisten Wolfgang Suppan für ein 15 Musiker zählendes Kammerensemble umgeschrieben, "destilliert". Klangstark und beherzt gehen die Mitglieder von Phace| Contemporary Music ans Werk. Die musikalische Leitung liegt in den Händen von Marino Formenti. Der Pianist und Dirigent war langjähriges Mitglied des Ensemble Klangforum Wien. Im Odeon präsentiert er sich als geschickter Vermittler zwischen Musikern und Bühne.
Prokofjews plastisch expressive Musik und das, was Suppan daraus gemacht hat, bilden den idealen Rahmen zu Renatas aufwühlender Geschichte, die letztlich auf dem Scheiterhaufen endet. Schwere Kost, packend serviert und einhellig bejubelt!
Kleine Zeitung (Harald Steiner), 23. 4. 2010
Eine umjubelte Premiere feierte Sergej Prokofjews Oper "Engel aus Feuer" in der Inszenierung von Philipp Harnoncourt im Wiener Odeon.
Die eindrucksvollsten Bilder stehen am Schluss: Renata, eine junge Frau, die schon seit ihrer Kindheit einem Wahnbild eines feurigen Engels namens Madiel verfallen ist, hat sich dem Klosterleben verschrieben. Ein Inquisitor tritt auf, die Nonnen proben den Aufstand, und Renata wird zum Tod auf dem Scheiterhaufen verurteilt. In Philipp Harnoncourts Inszenierung, mit der unverwechselbaren Bühnenbildsprache von Erwin Piplits und den Kostümen von Ulrike Kaufmann, gerät dieses ohnehin leidenschaftlich-aufwühlende Finale zu einem besonders packenden Bühnenerlebnis. Die russische Mezzosopranistin Elena Suvorova, Star des Abends, verausgabt sich in der anspruchsvollen Partie der Renata bis zum Äußersten - um Atem ringend nahm sie den stürmischen Premierenapplaus entgegen.
Die Opernhandlung wirkt wie ein Traum, zwar im mittelalterlichen Köln angesiedelt, aber von Menschen mit durchaus moderner charakterlicher Statur bevölkert: Neben der religiös und erotisch obsessiven Renata sind das der Ritter Ruprecht (Ludovic Kendi), Faust (Alexander Puhrer), Mephisto (Viktor Aleshkov) und etliche Nebenfiguren. Prokofjew schrieb das Stück Anfang der 1920er-Jahre, uraufgeführt wurde es erst mehr als später, nach Prokofjews (und auch Stalins!) Tod. Eine expressive, farbenreiche Musik, die gerade noch der Spätromantik zugeordnet werden kann, treibt die Sänger von einer aufwühlenden Szene zur anderen.
Für die Fassung im Odeon hat der österreichische Komponist Wolfgang Suppan die Partitur für ein 16-köpfiges Kammerorchester bearbeitet, darunter Klavier, Saxofon und zwei Schlagzeuger. Ein hervorragend geglücktes Unterfangen: Die, Musik verliert nichts an Gesamtausdruck, gewinnt aber an solistischen Details. Unter der musikalischen Leitung von Mario Formenti besitzt jedes Instrument individuell hörbare Konturen.
Kronenzeitung (V.P.), 23. 4. 2010
Ein fabelhaftes Team, das vor einem Jahr mit einer Oper Marin Marais' einen Triumph feierte, hat sich nun im Odeon an Prokofjew gewagt. Philipp Harnoncourt inszenierte den "Engel aus Feuer", das erst 1955, also nach dem Tod des Komponisten, von Giorgio Strehler in Venedig uraufgeführte Meisterwerk.
Wolfgang Suppan hat Prokofjews Partitur (für großes Opernorchester) auf eigene Weise für ein Kammerensemble bearbeitet. Mit dem Ensemble "Phace/Contemporary Music" studierte der Italiener Marino Formenti das Werk bravourös ein und leitet die Produktion.
Odeon-Chef Erwin Piplits, und Ulrike Kaufmann postieren das Orchester seitlich und sorgen mit beweglichen, immer neu zusammensetzbaren Wänden für grandiose Schauplätze. Mitglieder des Serapionsensembles bevölkern als Zwerge und obskure Gestalten die Szene und bauen die Bühnenbilder um. Ulrike Kaufmann ist für die originellen, düster -unheimlichen Kostüme verantwortlich.
Hervorragend geführt werden die Sänger von Regisseur Harnoncourt. Bravourös seine effektvollen Einfälle. Neben dem präsenten Wiener Kammerchor bewähren sich junge Sänger: Souverän in ihrer makabren Ekstatik ist Elena Suvorova eine glänzende Renata, Ludovic Kendi der ihr verfallene Ritter Ruprecht, Viktor Aleshkov Mephisto, Ygal Altschuster als Hans Glock, Martina Prins als Wahrsagerin und Äbtissin und Ivaylo Guberov als fanatischer Inquisitor.