- Orfeus und Eurydike auf Alpha Centauri
Komödie in sieben Akten
vom Ende der Zeit
und von den Mühen der Kunst
(UA 1996, KAT Klagenfurt)
Amme
Euridice / Farine de Blé
Gagarell
Orfeus / Molly Moliere
Commander P.
Renate
Shakey Shakespeare
Polizist
Shakeys Mama
Shakeys Papa
Vytlucil
Bergführer
Dramaturg
Vranz Vranitzky
Farines Freundin
Supervisor
zwei Kinder, drei Dörfler, Euridices Vater, Regieassistentin, zwei Bühnenarbeiter, ein Herr, zwei jugoslawische Arbeiter, vier Dichter, ein Bote
Chor der Dörfler
Chor der Plutoniken
aus dem V. Akt
Künstlerwandertag am Großglockner
DRAMATURG
Verstehst du, solche Faxen wie eine gesunde Ernährung oder ein Privatleben kannst du dir in diesem Job sowieso abschminken. Ich pflege zu sagen: Ein extremer Geist
in einem extremen Körper! (Er schaut durch das Fernglas.) Die haben wir aber gewaltig abgehängt!
(Sie legen ihre Rucksäcke ab.)
BERGFÜHRER
Apropos extreme Körper - wie san denn die Hasn bei euch im Burgtheater?
DRAMATURG
Ah, das ist ja alles Mache. Da haben mir die Mädchen auf der Alm, wo wir Milchpause gemacht haben, viel besser gefallen. Die mit dem roten Dirndl, also das war eine echte Superfrau -BERGFÜHRER
Des war die Beatrix - da hast gschaut, was? Des Madl is wia so a Schicksalsberg, der steht eines Tages vor dir, und du probierst es da und du probierst
es dort und am Ende musst du dir eingestehen, dass du da niemals auffikummen wirst. Und von diesem Augenblick an ist es eigentlich aus mit dir.
(Eine Gruppe von Bergsteigern kommt dazu. Der Bergführer begrüßt einen von ihnen mit Handschlag.)
Super gemacht, Vranz - jetzt sind wir genau auf Zweitausendundvier - jetzt san mir alle per du! Isch das klar, Kanzler?
VRANITZKY
Ich denke, es besteht dringender Großglocknerbesteigungsbedarf!
BERGFÜHRER
Leutln, wanns an andern Bedarf habts, dann am Besten hier. Nachher am Seil miasst euch koordinieren, wanns miassts, kloar?
(Alle treten zur Seite und nach hinten, um auszutreten.)
DRAMATURG
Vranz, willst du nicht ein paar staatstragende Worte an uns richten? Nachher könnte es zu spät sein.
VRANITZKY (räuspert sich)
Einmal im Jahr zieht der Bundeskanzler, einem uralten Brauch folgend, zum österreichischen Fujiyama, zum großen Glockenturm des Landes,
zum berggewordenen Ebenbild der Stefanskathedrale; einmal im Jahr darf ich mit euch den steilen Pfad hinauf und brennenden Knies wieder
hinunterkeuchen, in Demut das Knie beugend vor der Größe dieses Landes. Mit mir an der Nabelschnur des Seils klettern heimische Dichter,
Könige und Untertanen ihrer eigenen Wirklichkeit und, sind wir uns ehrlich, skrupellose Gesetzesbrecher, wenn es ihnen die innere Stimme
gebietet. Einmal im Jahr, in der Abgeschiedenheit der Berge, darf ich mich zu euch ins Seil hängen, und hier soll sie endlich schweigen,
die heisere Stimme der Vernunft - (er tritt jetzt auch aus). Wenn ich zu Bett gehe, starrt mich meine Frau immer so seltsam an - ich bin
eine dünne Schicht Mensch, aufgezogen auf ein Skelett namens Österreich. (Applaus) Und jetzt, nachdem wir unsere Notdurft verrichtet
haben, gewährt mir die Bitte...
BERGFÜHRER
Vranz komm, du bischt an meinem Seil der Dritte!